Die Papier-Tragödie

 

 
Es war ein Mädchen aus Papier,
 
ganz weiß und zum Verlieben.
 
Es hatte keiner noch auf ihr
 
das kleinste Wort geschrieben.

 
 
Das gibt es, glaubt es mir!
 
Sie war nur aus Papier.
 
Das gibt es, glaubt es mir!

 
 
Da kam ein junge aus Papier,
 
ein brauner, weit gereister,
 
ganz voll Adressen dort und hier,
 
gestempelt und voll Kleister.

 
 
Verzeiht ihm das Geschmier,
 
er war aus Packpapier.
 
Verzeiht ihm das Geschmier!

 
 
Auch Liebespaare aus Papier,
 
die können wahrhaft lieben.
 
Sie hat auf ihm, er hat auf ihr
 
mit eigner Hand geschrieben:


 
"Mein Herz gehört nur dir,
 
bin ich auch aus Papier.
 
Mein Herz gehört nur dir!"

 
 
Doch eines Tages das Unheil naht,
 
sie litten unaussprechlich:
 
Ihn rief ein ferner Adressat
 
und auf ihm stand "Zerbrechlich!"

 
 
"Ich kehr zurück zu dir,
 
mein Mädchen aus Papier!
 
Ich kehr zurück zu dir!"

 
 
Nun wartet sie jahrelang
 
und wurde langsam gelber.
 
Und war ihr einmal gar zu bang,
 
dann las sie auf sich selber.

 
 
"Mein Herz gehört nur dir,
 
bin ich auch aus Papier.
 
Mein Herz gehört nur dir!"

 
 
Ein Greis aus einem Zeitungsblatt,
 
zerknittert und voll Lügen,
 
der schrecklich viel Papiergeld hatt',
 
der wollt sie zum Vergnügen.

 
 
Sie widerstand der Gier
 
und war nur aus Papier.
 
Sie widerstand der Gier!

 
 
Das nahm der Alte ihr sehr krumm,
 
und voller böser Tücke
 
mit einer Scher' bracht er sie um
 
und schnitt sie in zwei Stücke.

 
 
Worüber lächelt ihr?
 
Ihr seid nicht aus Papier,
 
worüber lächelt ihr?

 
 
Und als der Liebste aus Papier
 
zurückkam wie versprochen,
 
da fand er sie und stand vor ihr
 
und hat kein Wort gesprochen,

 
 
weint keine Träne ihr.
 
Er war nur aus Papier,
 
weint keine Träne ihr.

 
 
So stand er, bis es dunkel war.
 
Sein Herz fing an zu brennen.
 
Und er verbrannte ganz und gar
 
und war nicht mehr zu kennen.

 
 
Dies schwarze Flöckchen hier

war Liebe auf Papier.



Dies schwarze Flöckchen hier!
 
     

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